Dienstag, 29. Oktober 2013
Film- und Theaterschaffende in Gabun: Drei kreative Köpfe im Gespräch
azize, 10:45h
(Im Sommer 2013 reiste ich mit meiner Familie in das zentralafrikanische Gabun, die Heimat meiner Mutter. Selbst Bühnenmensch, hatte ich ein großes Interesse daran herauszufinden, wie in diesem Land KünstlerInnen arbeiten und leben. Drei von ihnen durfte ich persönlich sprechen.)
Die Geschichte, wie ich zu meinem ersten – eigentlich zu jedem – Interview mit einer gabunischen Künstlerin komme, ist so klischeehaft „afrikanisch“, dass sie mir keiner glauben wird. Und doch ist sie wahr:
Eines Morgens – es ist kurz nach sieben Uhr und meine Familie und ich befinden uns in den hektischen Vorbereitungen eines Wochenend-Trips auf die schöne Halbinsel Pointe Denis – schneit eine jener prächtig gekleideten Damen herein, die mir hier regelmäßig als Tanten vorgestellt werden. Nach der Begrüßung fällt der Verwandten, bei der wir die Ferien verbringen, ein, dass die Tochter besagter Tante doch, wie ich, Künstlerin und ich selbst schließlich unter anderem vor Ort sei, um mit Leuten „meines Milieus“ in Kontakt zu treten. Worauf die neugewonnene Tante beschließt, ihre Tochter sofort anzurufen. Ich wiederhole: Es ist kurz nach sieben Uhr. Doch das schreckt dieses Energiebündel, das gerade erst von der Frühmesse kommt, nicht im geringsten. So ist es an mir, mich verdattert für die frühe Störung zu entschuldigen. Die so rüde Geweckte verzeiht es mir, sobald die Verwandtschaftsverhältnisse geklärt sind, und so sitze ich fünf Tage später im Schneideraum des IGIS: Institut Gabonais de l’Image et du Son – also des nationalen Filminstituts. Dies ist die erste Adresse, an die sich gabunische Filmemacher wenden, um Unterstützung, Material und finanzielle Mittel anzufragen. Da in diesem Land selbst mit einer offiziellen Zusage noch nicht gesichert ist, dass jemand die benötigte Unterstützung rechtzeitig bekommt, gibt es auch nicht wenige Independent-Filmer, die auf eigene Faust mit der Kamera losziehen. „Doch immer mehr von denen arbeiten mit uns zusammen“, stellt meine neu entdeckte Cousine Jeanne klar.
Sie selbst ist als freischaffende Cutterin am Hause angestellt, hat ihre Ausbildung in Nantes/Frankreich absolviert und in der Vergangenheit in erster Linie Dokumentarfilme gedreht. Zur Zeit sitzt sie an einer großen Arbeit über die gabunische Musikszene, die schon vor Jahren abgedreht worden war. Doch in der Zwischenzeit gab es immer wieder Probleme mit dem Material, Bilder gingen verloren, Stromausfälle verzögerten die Fertigstellung... Mittlerweile sind einige der für den Film interviewten Musiker bereits verstorben.
„Für die Regisseure ist es besonders hart“, erklärt Jeanne, „manche werden 50, 60 Jahre alt, ohne je einen Film fertigstellen zu können. Ich als Technikerin dagegen, finde immer Arbeit. Die Leute denken dann, man habe es über Beziehungen geschafft – gerade mit einem Nachnamen wie dem meinen“ (ihre Mutter bekleidet ein politisches Amt), „aber ich muss mich ganz allein abstrampeln. Es hat ein bisschen gedauert, bis ich mir den Respekt der alten Hasen im Institut erarbeitet hatte, aber sobald sie gesehen haben, dass ich wirklich etwas kann, war alles in Ordnung.
Das gabunische Kino ist noch auf der Suche nach sich selbst,“ fährt sie fort. „Seit einigen Jahren kommen in den Filmen auch Themen vor, die früher tabu gewesen wären, wie z.B. sexueller Missbrauch in der Familie oder die immer noch häufigen Ritualmorde an Kindern. (Anm.: Für manche Rituale, die zu Macht und Reichtum verhelfen sollen, werden immer wieder Kinder entführt, deren grausam verstümmelte Leichen dann Tage später am Straßenrand liegen.) Dank des Internets werden solche Themen in der Öffentlichkeit immer mehr diskutiert, und die Filmemacher reagieren darauf.“
Zum Glück interessiere sich das Publikum sehr für den einheimischen Film, wobei es für die „leichte Kost“ – hier wie überall auf der Welt – wesentlich einfacher sei, sich durchzusetzen, als für inhaltlich anspruchsvollere Filme. Daher haben Produktionen aus „Nolliwood“, wie die nigerianische Filmindustrie genannt wird, wesentlich größeren Zulauf als einheimische Filme.
In dem Filmabschnitt, den meine Cousine gerade bearbeitet, bemerkt allerdings die Musikerin Annie-Flore Batchiellilys: „Die Gabuner ‚konsumieren’ ihre eigenen Künstler heute mehr als noch vor 10, 15 Jahren.“
„Was uns hier fehlt“, erklärt Jeanne, „ist eine anständige Ausbildung. Einmal im Jahr kommen zwar französische Ausbilder aus Frankreich ins Institut, sodass hiesige Filmemacher sich in Lichtdesign, Drehbuch und anderen wichtigen Bereichen weiterbilden können. Doch für eine fundierte Ausbildung müssen junge Künstler nach wie vor ins Ausland gehen.“
Immerhin: Langsam findet der gabunische Film auch internationale Beachtung. Diesen Sommer wurde auf dem Filmfest Ecran Noir in Yaoundé „La Clé“ von Olivier Dissouva als bester Film und Tony Me-Birinde als bester Darsteller in „Terre et Fils“ (Regie: Fernand Lepoko) ausgezeichnet. „Ich selbst würde auch gerne einmal einen eigenen Film drehen“, seufzt meine Cousine, „ich schreibe sehr viel – aber da ich die meiste Zeit damit beschäftigt bin, die Filme anderer zu schneiden, um Geld zu verdienen, komme ich nicht dazu.“ Auch dies ein Problem, das sie mit Künstlern auf der ganzen Welt teilt.
Zum Abschluss gibt sie mir noch die Nummer von Michel Ndaot, einem DER beiden großen gabunischen Theatermänner. Und schon habe ich meinen zweiten Interview-Termin.
Michel Ndaot gelingt es seit 1995, die Theatertruppe EYENO am Leben zu erhalten. „Eyeno“ bedeutet auf Miéné „Spiegel“. Als junger Mensch sah er sich oft Stücke im Centre Culturel Francais (CCF) an, spielte dann in gabunischen Fernsehformaten, besuchte in Libreville die Kunsthochschule ENAM (École Nationale d’Art et de Manufacture) und ließ sich 1998 in La Rochelle (Frankreich) im Bereich Straßentheater weiterbilden. Heute nimmt er an der ENAM die Abschlussprüfungen der Schauspieler ab und rekrutiert dort auch die Mitglieder seiner eigenen Theatertruppe, in der zusätzlich Laien aus den Schauspielkursen mitwirken, die er an verschiedenen Gymnasien veranstaltet.
„Wenn man gabunisches Theater machen will“, eröffnet Michel das Gespräch, „steht man verschiedenen Schwierigkeiten gegenüber. Zunächst einmal gibt es sehr wenige gabunische Autoren, die für das Theater schreiben, außer Ludovic Obiang und Laurent Orondo. Daher sind Regisseure oft gezwungen, Romane für die Bühne zu adaptieren, was ich selbst in der Vergangenheit mit „Histoire d’Awu“ von Joséphine Mints und „Les Matitis“ von Freddie Ndong-Ombeng gemacht habe.
Das zweite Problem ist, dass die Politik sich nicht genug für unser Theater einsetzt. Es gibt kein Nationaltheater, kein zentrales staatliches Gebäude, in dem einheimische Truppen sich präsentieren könnten. Um zu spielen, müssen wir zu hohen Preisen Säle mieten. Von staatlicher Seite werden eher Truppen aus dem Senegal eingeladen, deren Produktionen besser ausgestattet sind und die somit bereits Erfolg hatten, als dass unsere eigenen Ensembles gefördert und befähigt würden, ein Stück mehr als dreimal zu spielen.“
An diesen Gegebenheiten krankt das gabunische Theater seit den 70er-Jahren. Bis dahin war Vincent de Paul-Nyonda, der „Vater des gabunischen Theaters“, der selbst über 30 Stücke geschrieben hatte, Kultusminister gewesen. Er hatte ein nationales Theater aufgebaut, das sich langsam auflöste, nachdem er seinen Posten verloren hatte. In Gabun sind kulturelle (und leider auch soziale) Institutionen oft existenziell abhängig von ihren Gründern, ohne deren Beziehungen die Mittel und somit die Strukturen wegfallen, welche ein Theater oder z.B. ein Jugendprojekt am Leben erhalten.
Michel Ndaots eigene Produktion „Les Matitis“ konnte nur in Zusammenarbeit mit dem „Théâtre de l’Utopie“ in La Rochelle entstehen. Die französischen Kollegen waren es auch, die Spieltermine in Kanada, Frankreich und der Schweiz ermöglichten. Sogar, um in zentralafrikanischen Nachbarländern auftreten zu können, musste sich die Truppe Hilfe vom CCF holen.
„Aufgrund dieser Umstände“, fährt Michel fort, „ist unser Theater selbst im nahen Ausland so gut wie nicht präsent. Auch das FITEGA (Festival International du Théâtre Gabonais), das seit 10 Jahren in Libreville stattfindet, hat daran wenig ändern können.
Hinzu kommt, dass unser Publikum wenig mit dem theatralen Zeichensystem vertraut ist. Bei 50 verschiedenen Ethnien, die alle ihre eigenen kulturellen Traditionen haben, hat sich kein einheitliches traditionelles Theater herausbilden können. Wer überall erfolgreich ist, sind komödiantische Alleinunterhalter. Mittlerweile denken viele Leute, das sei Theater.“
Wenn dann ein Michel Ndaot in einem Stück einen Mann mit seiner verstorbenen Ehefrau die Vergangenheit Revue passieren und die Schauspielerin niemals die Füße auf den Boden setzen lässt, um ihren Status als Geist deutlich zu machen, rufen die Zuschauer den Darstellern ungeniert zu, sie sollten die Bühne verlassen, wenn sie schon nicht lustig seien. „Quitte là!“ – „Verschwinde!“, schalle es regelmäßig aus dem Saal, wenn das Publikum nicht durch eine Ankündigung darauf aufmerksam gemacht werde, dass die Schauspieler sich in mühevoller Arbeit auf diesen Abend vorbereitet und ein Minimum an Respekt verdient hätten. Diese Art „Briefing“ macht sich durchaus bezahlt: Die Leute äußern sich in der Folge zwar immer noch spontan während der Aufführung, doch beziehen sich ihre Zwischenrufe auf die Handlung: Es ist dann eine aktive Teilnahme und keine Ablehnung der Vorstellung als solche. Gegen diese Lebendigkeit hätte ich in unserem wohlerzogenen Europa, in dem man als Schauspieler oft bis zum bang erwarteten Applaus nicht die geringste Ahnung hat, wie das Stück bei den Zuschauern ankommt und wie man seine Dynamik gegebenenfalls korrigieren könnte, hin und wieder auch nichts.
Am ehesten, erklärt Michel, bekäme seine Truppe Spieltermine bei ausländischen Unternehmen wie Ölfirmen, die Vorstellungen für ihre Mitarbeiter buchten. Doch auch so komme eine Inszenierung selten auf mehr als fünf Vorstellungen – nach wochenlanger Probenarbeit eine eher deprimierende Aussicht.
So hat sich in Gabun die absurde Situation etabliert, dass die meisten Absolventen der ENAM gleich nach ihrer Ausbildung als Leiter von Theater-AGs an Schulen ins Inland verschickt werden und nie eine professionelle Bühne betreten. „Allerdings beobachte ich auch“, bemerkt Michel, „dass die Absolventen immer schlechter werden. In ihren Abschlusspräsentationen stellen sie z.B. traditionelle Rituale oder Alltagssituationen eins zu eins nach, erzählen aber weder eine Geschichte, noch erwecken sie eine eigene Figur zum Leben. Offenbar werden ihre Phantasie und Kreativität in der Ausbildung nicht gefördert. Und da frage ich: Von was für Leuten werden unsere Schauspieler unterrichtet? Und was sollen sie selbst der nächsten Generation weitergeben? Es ist ein Teufelskreis.“
Er selbst hat es sich zur Aufgabe gemacht, nicht nur den künstlerischen Nachwuchs, sondern auch die „Zuschauer von morgen“ in seinen Workshops zu erziehen. Obwohl diese ihm den Broterwerb sichern, hat er in 20 Jahren seine eigene Inszenierungsarbeit trotz aller Widrigkeiten nicht aufgegeben. Dabei wirkt er weder verbittert noch müde, was ich sehr
Links: Michel Ndaot. Rechts: Imunga Ivanga.
bewundere. Gleichzeitig kann ich verstehen, dass junge Schauspielschulabsolventen angesichts der allgemeinen, desolaten Lage des gabunischen Theaters, sich mit der relativen Sicherheit des Staatsdienstes zufrieden geben. Es ist ein Unterschied, ob man in Europa um ein Engagement selbst an einem kleinen Theater kämpft – oder ob man in einem Land Schauspieler ist, in dem es für den eigenen Beruf so gut wie keine Infrastruktur gibt und man obendrein mit der grundsätzlichen Ablehnung durch das Publikum rechnen muss.
Diese Einwände lässt Imunga Ivanga, mein nächster Gesprächspartner und seines Zeichens Leiter des IGIS, allerdings nicht so leicht gelten. „Wer Künstler wird, muss damit rechnen zu hungern“, stellt er bei meinem zweiten Besuch des Instituts klar. „Wer nicht damit zurechtkommt, dass es zehn Jahre dauern kann, bevor man irgendeine Anerkennung für seine Arbeit bekommt, hat den falschen Beruf gewählt. Dafür kann man nicht schon wieder den Staat verantwortlich machen. Natürlich sollte der sich mehr bemühen, eine vernünftige Infrastruktur zu schaffen, damit „Kultur“ sich nicht in alle Ewigkeit auf traditionelle Tänze und Gesänge beschränkt. Doch dies alles hat nichts mit meiner eigenen Entscheidung zu tun, Künstler zu werden und dafür zu kämpfen.“
Imunga selbst studierte Literatur in Libreville, bevor er nach Paris an die FEMIS wechselte und sich dort in Filmregie und Drehbuchschreiben weiterbildete. Diese Ausbildung bezeichnet er als sehr praktisch orientiert, unter anderem lernte er bei Jean-Claude Carrière. In der Folge drehte er mehrere Dokumentarfilme und schrieb Filmkritiken, bevor er mit „Dôlé“ (Miéné für „Geld“) seinen ersten Spielfilm schuf – und prompt mehrere Preise bei europäischen Festivals einheimste. Seit er 2006 die Leitung des IGIS übernahm, ist er überwiegend als Produzent tätig und dreht nur noch wenig selbst.
Auf meine Frage, ob er lieber Dokumentar- oder Spielfilme mache, antwortet er, die Dokumentation sei einfacher zu bewältigen, doch hänge die Form für ihn immer vom Thema ab. Ich darf mir auf seinem Laptop den Trailer zu einem Trickfilm ansehen, den das IGIS momentan mit einer amerikanischen Produktionsfirma plant. Darin geht es um einen Heranwachsenden, der den Wald seiner Heimat gegen die Ausbeutung durch große Konzerne verteidigt. Die Bilder sind sehr schön, in erdigen Farben gehalten; durch phantastisch anmutende, dennoch unverkennbar tropische Landschaften turnen grazile, energiegeladene Figuren. Auch das Thema Umwelt, das für die Gabuner aufgrund der üppigen Bewaldung ihres Landes noch kaum Dringlichkeit besitzt, wird also zumindest schon künstlerisch bearbeitet und der nächsten Generation bewusst gemacht.
Viel mehr gabunische Filme für Kinder scheint es nicht zu geben. Vor einigen Jahren, sagt Imunga, habe es eine Zeichentrickserie gegeben, mehr nicht. Auch hier ist die Konkurrenz aus dem Ausland geradezu übermächtig.
Unser Gespräch ist nicht lang, der Leiter des nationalen Filminstituts ist natürlich ein viel beschäftigter Mann und konnte mich gerade eben zwischen zwei Termine quetschen. Doch diese Zeit hat er sich immerhin genommen und ich bin recht zufrieden, als ich ihn abschließend um ein Foto bitte. „So?“ fragt er stirnrunzelnd, „im schwarzen Anzug?“
Wer Imunga Ivanga googelt, findet von ihm meist Bilder in zwanglosen, farbenfrohen Hemden. Damit auf dem Bild zumindest irgendeine Verbindung zwischen ihm und der Kunst sichtbar wird und er nicht wie ein Banker aussieht, stellt er sich neben das Gemälde, das in seinem Bureau hängt. Der Kreative und der Geschäftsmann – hier wie anderswo kommen offensichtlich jene am besten zurecht, welche diese beiden Rollen in sich vereinen.
Die Geschichte, wie ich zu meinem ersten – eigentlich zu jedem – Interview mit einer gabunischen Künstlerin komme, ist so klischeehaft „afrikanisch“, dass sie mir keiner glauben wird. Und doch ist sie wahr:
Eines Morgens – es ist kurz nach sieben Uhr und meine Familie und ich befinden uns in den hektischen Vorbereitungen eines Wochenend-Trips auf die schöne Halbinsel Pointe Denis – schneit eine jener prächtig gekleideten Damen herein, die mir hier regelmäßig als Tanten vorgestellt werden. Nach der Begrüßung fällt der Verwandten, bei der wir die Ferien verbringen, ein, dass die Tochter besagter Tante doch, wie ich, Künstlerin und ich selbst schließlich unter anderem vor Ort sei, um mit Leuten „meines Milieus“ in Kontakt zu treten. Worauf die neugewonnene Tante beschließt, ihre Tochter sofort anzurufen. Ich wiederhole: Es ist kurz nach sieben Uhr. Doch das schreckt dieses Energiebündel, das gerade erst von der Frühmesse kommt, nicht im geringsten. So ist es an mir, mich verdattert für die frühe Störung zu entschuldigen. Die so rüde Geweckte verzeiht es mir, sobald die Verwandtschaftsverhältnisse geklärt sind, und so sitze ich fünf Tage später im Schneideraum des IGIS: Institut Gabonais de l’Image et du Son – also des nationalen Filminstituts. Dies ist die erste Adresse, an die sich gabunische Filmemacher wenden, um Unterstützung, Material und finanzielle Mittel anzufragen. Da in diesem Land selbst mit einer offiziellen Zusage noch nicht gesichert ist, dass jemand die benötigte Unterstützung rechtzeitig bekommt, gibt es auch nicht wenige Independent-Filmer, die auf eigene Faust mit der Kamera losziehen. „Doch immer mehr von denen arbeiten mit uns zusammen“, stellt meine neu entdeckte Cousine Jeanne klar.
Sie selbst ist als freischaffende Cutterin am Hause angestellt, hat ihre Ausbildung in Nantes/Frankreich absolviert und in der Vergangenheit in erster Linie Dokumentarfilme gedreht. Zur Zeit sitzt sie an einer großen Arbeit über die gabunische Musikszene, die schon vor Jahren abgedreht worden war. Doch in der Zwischenzeit gab es immer wieder Probleme mit dem Material, Bilder gingen verloren, Stromausfälle verzögerten die Fertigstellung... Mittlerweile sind einige der für den Film interviewten Musiker bereits verstorben.
„Für die Regisseure ist es besonders hart“, erklärt Jeanne, „manche werden 50, 60 Jahre alt, ohne je einen Film fertigstellen zu können. Ich als Technikerin dagegen, finde immer Arbeit. Die Leute denken dann, man habe es über Beziehungen geschafft – gerade mit einem Nachnamen wie dem meinen“ (ihre Mutter bekleidet ein politisches Amt), „aber ich muss mich ganz allein abstrampeln. Es hat ein bisschen gedauert, bis ich mir den Respekt der alten Hasen im Institut erarbeitet hatte, aber sobald sie gesehen haben, dass ich wirklich etwas kann, war alles in Ordnung.
Das gabunische Kino ist noch auf der Suche nach sich selbst,“ fährt sie fort. „Seit einigen Jahren kommen in den Filmen auch Themen vor, die früher tabu gewesen wären, wie z.B. sexueller Missbrauch in der Familie oder die immer noch häufigen Ritualmorde an Kindern. (Anm.: Für manche Rituale, die zu Macht und Reichtum verhelfen sollen, werden immer wieder Kinder entführt, deren grausam verstümmelte Leichen dann Tage später am Straßenrand liegen.) Dank des Internets werden solche Themen in der Öffentlichkeit immer mehr diskutiert, und die Filmemacher reagieren darauf.“
Zum Glück interessiere sich das Publikum sehr für den einheimischen Film, wobei es für die „leichte Kost“ – hier wie überall auf der Welt – wesentlich einfacher sei, sich durchzusetzen, als für inhaltlich anspruchsvollere Filme. Daher haben Produktionen aus „Nolliwood“, wie die nigerianische Filmindustrie genannt wird, wesentlich größeren Zulauf als einheimische Filme.
In dem Filmabschnitt, den meine Cousine gerade bearbeitet, bemerkt allerdings die Musikerin Annie-Flore Batchiellilys: „Die Gabuner ‚konsumieren’ ihre eigenen Künstler heute mehr als noch vor 10, 15 Jahren.“
„Was uns hier fehlt“, erklärt Jeanne, „ist eine anständige Ausbildung. Einmal im Jahr kommen zwar französische Ausbilder aus Frankreich ins Institut, sodass hiesige Filmemacher sich in Lichtdesign, Drehbuch und anderen wichtigen Bereichen weiterbilden können. Doch für eine fundierte Ausbildung müssen junge Künstler nach wie vor ins Ausland gehen.“
Immerhin: Langsam findet der gabunische Film auch internationale Beachtung. Diesen Sommer wurde auf dem Filmfest Ecran Noir in Yaoundé „La Clé“ von Olivier Dissouva als bester Film und Tony Me-Birinde als bester Darsteller in „Terre et Fils“ (Regie: Fernand Lepoko) ausgezeichnet. „Ich selbst würde auch gerne einmal einen eigenen Film drehen“, seufzt meine Cousine, „ich schreibe sehr viel – aber da ich die meiste Zeit damit beschäftigt bin, die Filme anderer zu schneiden, um Geld zu verdienen, komme ich nicht dazu.“ Auch dies ein Problem, das sie mit Künstlern auf der ganzen Welt teilt.
Zum Abschluss gibt sie mir noch die Nummer von Michel Ndaot, einem DER beiden großen gabunischen Theatermänner. Und schon habe ich meinen zweiten Interview-Termin.
Michel Ndaot gelingt es seit 1995, die Theatertruppe EYENO am Leben zu erhalten. „Eyeno“ bedeutet auf Miéné „Spiegel“. Als junger Mensch sah er sich oft Stücke im Centre Culturel Francais (CCF) an, spielte dann in gabunischen Fernsehformaten, besuchte in Libreville die Kunsthochschule ENAM (École Nationale d’Art et de Manufacture) und ließ sich 1998 in La Rochelle (Frankreich) im Bereich Straßentheater weiterbilden. Heute nimmt er an der ENAM die Abschlussprüfungen der Schauspieler ab und rekrutiert dort auch die Mitglieder seiner eigenen Theatertruppe, in der zusätzlich Laien aus den Schauspielkursen mitwirken, die er an verschiedenen Gymnasien veranstaltet.
„Wenn man gabunisches Theater machen will“, eröffnet Michel das Gespräch, „steht man verschiedenen Schwierigkeiten gegenüber. Zunächst einmal gibt es sehr wenige gabunische Autoren, die für das Theater schreiben, außer Ludovic Obiang und Laurent Orondo. Daher sind Regisseure oft gezwungen, Romane für die Bühne zu adaptieren, was ich selbst in der Vergangenheit mit „Histoire d’Awu“ von Joséphine Mints und „Les Matitis“ von Freddie Ndong-Ombeng gemacht habe.
Das zweite Problem ist, dass die Politik sich nicht genug für unser Theater einsetzt. Es gibt kein Nationaltheater, kein zentrales staatliches Gebäude, in dem einheimische Truppen sich präsentieren könnten. Um zu spielen, müssen wir zu hohen Preisen Säle mieten. Von staatlicher Seite werden eher Truppen aus dem Senegal eingeladen, deren Produktionen besser ausgestattet sind und die somit bereits Erfolg hatten, als dass unsere eigenen Ensembles gefördert und befähigt würden, ein Stück mehr als dreimal zu spielen.“
An diesen Gegebenheiten krankt das gabunische Theater seit den 70er-Jahren. Bis dahin war Vincent de Paul-Nyonda, der „Vater des gabunischen Theaters“, der selbst über 30 Stücke geschrieben hatte, Kultusminister gewesen. Er hatte ein nationales Theater aufgebaut, das sich langsam auflöste, nachdem er seinen Posten verloren hatte. In Gabun sind kulturelle (und leider auch soziale) Institutionen oft existenziell abhängig von ihren Gründern, ohne deren Beziehungen die Mittel und somit die Strukturen wegfallen, welche ein Theater oder z.B. ein Jugendprojekt am Leben erhalten.
Michel Ndaots eigene Produktion „Les Matitis“ konnte nur in Zusammenarbeit mit dem „Théâtre de l’Utopie“ in La Rochelle entstehen. Die französischen Kollegen waren es auch, die Spieltermine in Kanada, Frankreich und der Schweiz ermöglichten. Sogar, um in zentralafrikanischen Nachbarländern auftreten zu können, musste sich die Truppe Hilfe vom CCF holen.
„Aufgrund dieser Umstände“, fährt Michel fort, „ist unser Theater selbst im nahen Ausland so gut wie nicht präsent. Auch das FITEGA (Festival International du Théâtre Gabonais), das seit 10 Jahren in Libreville stattfindet, hat daran wenig ändern können.
Hinzu kommt, dass unser Publikum wenig mit dem theatralen Zeichensystem vertraut ist. Bei 50 verschiedenen Ethnien, die alle ihre eigenen kulturellen Traditionen haben, hat sich kein einheitliches traditionelles Theater herausbilden können. Wer überall erfolgreich ist, sind komödiantische Alleinunterhalter. Mittlerweile denken viele Leute, das sei Theater.“
Wenn dann ein Michel Ndaot in einem Stück einen Mann mit seiner verstorbenen Ehefrau die Vergangenheit Revue passieren und die Schauspielerin niemals die Füße auf den Boden setzen lässt, um ihren Status als Geist deutlich zu machen, rufen die Zuschauer den Darstellern ungeniert zu, sie sollten die Bühne verlassen, wenn sie schon nicht lustig seien. „Quitte là!“ – „Verschwinde!“, schalle es regelmäßig aus dem Saal, wenn das Publikum nicht durch eine Ankündigung darauf aufmerksam gemacht werde, dass die Schauspieler sich in mühevoller Arbeit auf diesen Abend vorbereitet und ein Minimum an Respekt verdient hätten. Diese Art „Briefing“ macht sich durchaus bezahlt: Die Leute äußern sich in der Folge zwar immer noch spontan während der Aufführung, doch beziehen sich ihre Zwischenrufe auf die Handlung: Es ist dann eine aktive Teilnahme und keine Ablehnung der Vorstellung als solche. Gegen diese Lebendigkeit hätte ich in unserem wohlerzogenen Europa, in dem man als Schauspieler oft bis zum bang erwarteten Applaus nicht die geringste Ahnung hat, wie das Stück bei den Zuschauern ankommt und wie man seine Dynamik gegebenenfalls korrigieren könnte, hin und wieder auch nichts.
Am ehesten, erklärt Michel, bekäme seine Truppe Spieltermine bei ausländischen Unternehmen wie Ölfirmen, die Vorstellungen für ihre Mitarbeiter buchten. Doch auch so komme eine Inszenierung selten auf mehr als fünf Vorstellungen – nach wochenlanger Probenarbeit eine eher deprimierende Aussicht.
So hat sich in Gabun die absurde Situation etabliert, dass die meisten Absolventen der ENAM gleich nach ihrer Ausbildung als Leiter von Theater-AGs an Schulen ins Inland verschickt werden und nie eine professionelle Bühne betreten. „Allerdings beobachte ich auch“, bemerkt Michel, „dass die Absolventen immer schlechter werden. In ihren Abschlusspräsentationen stellen sie z.B. traditionelle Rituale oder Alltagssituationen eins zu eins nach, erzählen aber weder eine Geschichte, noch erwecken sie eine eigene Figur zum Leben. Offenbar werden ihre Phantasie und Kreativität in der Ausbildung nicht gefördert. Und da frage ich: Von was für Leuten werden unsere Schauspieler unterrichtet? Und was sollen sie selbst der nächsten Generation weitergeben? Es ist ein Teufelskreis.“
Er selbst hat es sich zur Aufgabe gemacht, nicht nur den künstlerischen Nachwuchs, sondern auch die „Zuschauer von morgen“ in seinen Workshops zu erziehen. Obwohl diese ihm den Broterwerb sichern, hat er in 20 Jahren seine eigene Inszenierungsarbeit trotz aller Widrigkeiten nicht aufgegeben. Dabei wirkt er weder verbittert noch müde, was ich sehr
Links: Michel Ndaot. Rechts: Imunga Ivanga.
bewundere. Gleichzeitig kann ich verstehen, dass junge Schauspielschulabsolventen angesichts der allgemeinen, desolaten Lage des gabunischen Theaters, sich mit der relativen Sicherheit des Staatsdienstes zufrieden geben. Es ist ein Unterschied, ob man in Europa um ein Engagement selbst an einem kleinen Theater kämpft – oder ob man in einem Land Schauspieler ist, in dem es für den eigenen Beruf so gut wie keine Infrastruktur gibt und man obendrein mit der grundsätzlichen Ablehnung durch das Publikum rechnen muss.
Diese Einwände lässt Imunga Ivanga, mein nächster Gesprächspartner und seines Zeichens Leiter des IGIS, allerdings nicht so leicht gelten. „Wer Künstler wird, muss damit rechnen zu hungern“, stellt er bei meinem zweiten Besuch des Instituts klar. „Wer nicht damit zurechtkommt, dass es zehn Jahre dauern kann, bevor man irgendeine Anerkennung für seine Arbeit bekommt, hat den falschen Beruf gewählt. Dafür kann man nicht schon wieder den Staat verantwortlich machen. Natürlich sollte der sich mehr bemühen, eine vernünftige Infrastruktur zu schaffen, damit „Kultur“ sich nicht in alle Ewigkeit auf traditionelle Tänze und Gesänge beschränkt. Doch dies alles hat nichts mit meiner eigenen Entscheidung zu tun, Künstler zu werden und dafür zu kämpfen.“
Imunga selbst studierte Literatur in Libreville, bevor er nach Paris an die FEMIS wechselte und sich dort in Filmregie und Drehbuchschreiben weiterbildete. Diese Ausbildung bezeichnet er als sehr praktisch orientiert, unter anderem lernte er bei Jean-Claude Carrière. In der Folge drehte er mehrere Dokumentarfilme und schrieb Filmkritiken, bevor er mit „Dôlé“ (Miéné für „Geld“) seinen ersten Spielfilm schuf – und prompt mehrere Preise bei europäischen Festivals einheimste. Seit er 2006 die Leitung des IGIS übernahm, ist er überwiegend als Produzent tätig und dreht nur noch wenig selbst.
Auf meine Frage, ob er lieber Dokumentar- oder Spielfilme mache, antwortet er, die Dokumentation sei einfacher zu bewältigen, doch hänge die Form für ihn immer vom Thema ab. Ich darf mir auf seinem Laptop den Trailer zu einem Trickfilm ansehen, den das IGIS momentan mit einer amerikanischen Produktionsfirma plant. Darin geht es um einen Heranwachsenden, der den Wald seiner Heimat gegen die Ausbeutung durch große Konzerne verteidigt. Die Bilder sind sehr schön, in erdigen Farben gehalten; durch phantastisch anmutende, dennoch unverkennbar tropische Landschaften turnen grazile, energiegeladene Figuren. Auch das Thema Umwelt, das für die Gabuner aufgrund der üppigen Bewaldung ihres Landes noch kaum Dringlichkeit besitzt, wird also zumindest schon künstlerisch bearbeitet und der nächsten Generation bewusst gemacht.
Viel mehr gabunische Filme für Kinder scheint es nicht zu geben. Vor einigen Jahren, sagt Imunga, habe es eine Zeichentrickserie gegeben, mehr nicht. Auch hier ist die Konkurrenz aus dem Ausland geradezu übermächtig.
Unser Gespräch ist nicht lang, der Leiter des nationalen Filminstituts ist natürlich ein viel beschäftigter Mann und konnte mich gerade eben zwischen zwei Termine quetschen. Doch diese Zeit hat er sich immerhin genommen und ich bin recht zufrieden, als ich ihn abschließend um ein Foto bitte. „So?“ fragt er stirnrunzelnd, „im schwarzen Anzug?“
Wer Imunga Ivanga googelt, findet von ihm meist Bilder in zwanglosen, farbenfrohen Hemden. Damit auf dem Bild zumindest irgendeine Verbindung zwischen ihm und der Kunst sichtbar wird und er nicht wie ein Banker aussieht, stellt er sich neben das Gemälde, das in seinem Bureau hängt. Der Kreative und der Geschäftsmann – hier wie anderswo kommen offensichtlich jene am besten zurecht, welche diese beiden Rollen in sich vereinen.
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Mittwoch, 6. März 2013
erotoxine I
azize, 22:19h
Du bist so
Dass ich meine Hände legen möchte unter deine Haut
Ganz mich einhüllen in deine Seide du
Butterblume.
Die zwei Kilometer
Von Ohr zu Ohr die ich
Schüchtern das Polsterfell streichle
brennen und singen dass du´s nicht hörst
Zeit durchbrüten
In Hirngekrampf wo doch
Die paar Schritte runter Kühle glitzert
Unter sonnengepeitschten Wellen herauf
Stapfen durch das Mittagssalz
So lieb wie der Futon sich beult
Den nachgebenden Gliedern entgegen über
Weißen Kacheln
Fass ich
Fass ich dich nicht
Unterm eigenen Eiskleid erstickt meine
Butterblume.
Dass ich meine Hände legen möchte unter deine Haut
Ganz mich einhüllen in deine Seide du
Butterblume.
Die zwei Kilometer
Von Ohr zu Ohr die ich
Schüchtern das Polsterfell streichle
brennen und singen dass du´s nicht hörst
Zeit durchbrüten
In Hirngekrampf wo doch
Die paar Schritte runter Kühle glitzert
Unter sonnengepeitschten Wellen herauf
Stapfen durch das Mittagssalz
So lieb wie der Futon sich beult
Den nachgebenden Gliedern entgegen über
Weißen Kacheln
Fass ich
Fass ich dich nicht
Unterm eigenen Eiskleid erstickt meine
Butterblume.
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Mittwoch, 30. Januar 2013
eine kurzgeschichte. sonst schreibe ich andere sachen.
azize, 22:29h
Bis nach dem Regen
der Herbst beginnt hier oben früher man merkt es an der schärferen Luft ihrer
Porzellanhaftigkeit
rechts und links des Weges auch zunehmend am
Schimmern der Bäume die ganze Zeit schon seit das Dorf
hinter der ersten scharfen Biegung verschwunden ist
das Holz der Hüttentür schabt an deiner Wange du richtest dich auf um nicht
wieder nach außen zu kippen
dem letzten Glühen nach
dem deine Augen hinter die Hügelkette gegenüber folgen wollen
nun ist es duster für die erste Exilnacht erwartet dich
in dem einen quadratischen Raum eine Flasche Wein nichts weiter
langsam
wie festgeklebt drehst du dich um
die Begegnung mit dem verinselnden Lampenlicht scheuend
wirfst
dich selbst überrumpelnd die Tür hinter dir zu
schnappst im Vorbeigehen die Weinflasche erklimmst die
Treppe über der als Balkon
dein neuer Schlafplatz in das Häuschen ragt
dann schaust du dich um zwischen deinen Zeitungen und Büchern
weißt gleich die sind nicht
womit du durch die verbleibenden Wachstunden kommen wirst was jetzt?
wirfst du unwillig
mit Blicken um
und über dich bis du bemerkst
was dir bisher entgangen ist eine Luke
direkt aufs Dach hinaus
noch vor dem ersten Gedanken
bist du mit halbem Körper draußen stellst
die Flasche auf dem Schornstein ab und folgst ihr.
unter dem bisschen Mond
in der frostigen Schwärze ist gleich ein freieres Atmen im Vergleich
zu den Wellen die hier der Horizont schlägt
kann der Rost eines Städtehimmels
oder worüber er sich spannen mag nicht mehr als verlieren
weich und rund legt sich alles um dich
die Stille die eben noch bedrohliche ist wieder dein Freund
die Schindeln unter deinen Fingern das gelegentliche Flüstern in entfernten Bäumen
alles was du zum Leben
wenn dieser eine Moment Leben sein soll, brauchst
und
selbst unter dem Murmeln das dir bald den Nacken hinauf rollt
kräuselt sich dir erst wohlig die Haut
bevor es sich deutlicher wiederholt
weit entfernt und doch mitten in deinem Kopf
noch eine trotziger Moment des Ignorierens dann seufzst du und gestehst
als es richtungslos zu krachen beginnt du musst hinein
schwingst dich zurück ziehst die Luke zu
auf die es bald drauf wie Steinschlag zu prasseln beginnt
und fühlst dich ertauben beim Anblick der
Staubigkeit zu der die 40W
aus nicht mal ganz zwei Lampen die Szene tauchen
eilst hinunter wechselst eine Weile
von Fenster zu Fenster dann
stößt dein Fuß gegen etwas es ist ein blechernes
und gläsernes Monstrum
noch der Vorfahr einer StallLaterne
auch Öl darin und ein funktionierender Docht
den hast du bald in Brand gesteckt
unterm Sofa zusätzliche Decken gefunden jetzt bist du heiter
heiterer noch als vorhin wirst auf der Veranda
weich in den alten Schaukelstuhl gebettet deine eigene
flackernde und röhrende Privatvorstellung haben.
schon reckst du
wild den Sessel zum Wippen bringend die Fäuste in die Luft
schmetterst dem Sturm die Höllenrache entgegen
greifst hinunter nach der Flasche
als das
Was
ein Blitz kurz hat aus der Schwärze hervor treten machen dich inne halten lässt
deine Bauchdecke so weit zurück schnellt dass du glaubst sie müsse dir
an der Wirbelsäule kleben bleiben was
was bist du eben im Begriff gewesen zu tun?
schon ist nichts mehr
als bulimische Schatten ringsum du fasst dich
beendest die Bewegung nimmst einen tiefen Schluck denkst vielleicht
möglicherweise gehe ich doch lieber hinein
bin schließlich müde da
gerät kurz alles wieder in Brand du kannst nicht mehr
abstreiten näher als
vorhin steht
da ein Mensch ein
Mensch hier
mitten im Nichts
du reißt der Impuls ist stärker als der Schreck die Laterne hoch und
Er ist schmächtig geradezu
eingefallen
wenn auch kaum älter als du
das
gibt dir oh Wunder die Stimme zurück
„ja bitte?“ als hätte sich jemand verwählt.
da endlich bewegt er sich sichtbar
scheint weiter zu schrumpfen indem
er die erste Stufe zur Veranda nimmt
dort verharrt zu schüchtern wie´s scheint
bis ganz heran zu kommen
der Boden formt sich dir neu unter den Füßen „hallo was
machst du hier“ fragst du
und er ohne aufzuschauen erwidert „verlaufen“
der Donner zerschlägt seine nächsten Worte dann wiederholt er sie wie
unter großer Mühe „darf ich
mich hier unterstellen bis nach dem Regen“
„ja sicher“ sagst
du schneller als du denken kannst noch immer
überfordert von seiner Harmlosigkeit
dem gebrechlichen Zug um seinen Mund der durchweichten Kleidung
die schon vor dem Unwetter erbärmlich gewirkt haben muss
er schafft es bis auf drei Armlängen an dich heran durch
Entlangdrücken am Geländer „da sind Decken“
fährst du fort „und“
was sollst du nur reden jetzt „ich wollte mir
Tee machen eben trinkst du einen mit?“
stumm nickt er
immer die Lider gesenkt über den dunklen
leblos kaum blickenden Augen
du reißt dich zusammen nicht hinein zu stürzen in die
windschiefe Sicherheit
das Rauschen des Wasserkochers klaubt dich auf
bevor du wieder hinaus musst mit dampfenden Tassen er
hat tatsächlich die Decken genommen
sich zusammen gerollt auf dem Holzboden „um Himmels Willen“
entfährt es dir
„da ist doch der Schaukelstuhl mach es dir darin bequem“ und dann
ungeduldig angesichts deiner eigenen Verunsicherung „was für ein Quatsch kannst
auch drinnen auf dem Sofa schlafen
so bald hört der Sturm nicht auf.“
er setzt sich halb
schaut dich erstmals an sagt „mich
willst du da drinnen schlafen lassen mich
kennst mich doch gar nicht
oder“
das Letzte mit einer
kalten Fremdheit
bei der dich schaudert aber du kannst keinen Rückzieher machen angesichts
deiner ersten Mutprobe in der Einöde „so“
„wie die Tür aussieht ist es fast egal
ob ich einen Unbekannten auf der Veranda oder im Wohnzimmer habe“
er schaut dort hinein
sieht warmes freundliches Licht
sammelt seine Knochen ein folgt dir
die Decken wie ein Kleinkind hinter sich her ziehend
du weist ihm das Sofa stellst den Tee
auf den Tisch daneben und fliehst
vor dem nächsten Verstummen
die Empore hinauf.
als du den Pullover ausziehst hörst du ihn fast schon schnarchen
brauchst nicht nachzudenken über das Rascheln deiner Kleider
vergräbst dich
in das klamme Bett.
das Erste ist dunstige Helligkeit
in die du aufsteigst aus bunten Schlieren das Zweite
Kaffeeduft
metallisches Klappern das Dritte und dann
als Oben und Unten klar sind du dich umdrehst
dem Raum entgegen wie du weißt
der für paar Wochen Zuflucht werden soll vor deinem argen
kaum nennenswerten Leben
erblickst du dort unten den Rücken von einem
der mit Pfanne und Kessel hantiert
hast also wirklich unter einem Dach geschlafen mit jemand
dessen Namen du nicht einmal kennst.
rasch bevor er sich umdrehen kann
angelst du aus dem Rucksack was du
zum Überstreifen brauchst fast ohne dich erheben zu müssen
er nickt auf deinen Gruß du beginnst
„das war doch nicht“
„doch war´s“ und das kommt von ihm
mit bitter gedemütigtem Stolz „wenn ich mich
schon nicht revanchieren kann für deine Gastfreundschaft“
du schweigst
reichst ihm was er braucht
das Frühstück zu richten und versinkst
je länger du neben ihm stehst in seine Züge
„weißt du Bescheid?“ schnellt plötzlich
sein Blick zu dir herum
dass du zurück schreckst „nein was denn“ als ertapptest du dich
selbst bei einer Lüge da
steht er neben dem Sofa
will sich die Jacke überziehen „klar
weißt du´s hängt an jedem Kiosk mein Gesicht
hast mich erkannt“
„wie soll ich erkennen was“ interessiert ihn nicht er
setzt sich in die Tür
wo säuberlich seine Schuhe stehen beginnt
sie überzustreifen
du gehst bis auf paar Schritte an in heran „soll ich
das ganze Frühstück allein aufessen jetzt?“
„soll ich“ grollt er
„warten bis du sie gerufen hast“
„wen sollte ich rufen während
wir zusammen essen“
seine Molltonaugen
saugen sich kurz fest an deinen „warum“ argwöhnt er
„willst du mich hindern zu gehen“
„weiß nicht aber so
mit diesem abgebrochenen Morgen deinen Andeutungen
ohne AufWiedersehen
zu meinen ich hätte dich verjagt ohne es zu wollen so
will ich meinen Urlaub nicht beginnen“
die Antwort
ist so duselig
so himmelschreiend banal dass auch er
in seiner Panik erkennt sie muss ehrlich sein
er steht auf
gelangt mit dir auf Augenhöhe
murmelt „ich hab nichts Schlimmes getan“
und lässt die Kiefer mahlen.
„um so besser“ wendest du dich ab
dich des Tabletts zu bemächtigen “Ich brauche nichts
zu wissen von dir
hast dich hier untergestellt und zum Dank Frühstück gemacht
das reicht
nicht wahr mehr hat keiner von uns erwartet”
seine Augen werden
noch einmal größer
als er murmelt “so jemand wie dich
ist mir wirklich noch nicht begegnet”
“sowas wie der Platz auf dem Dach” sprudelst du
“bestimmt auch nicht es ist ganz einfach:
wir frühstücken da oben wenn du gehst
bleibe ich so lange sitzen bis wir uns nicht mehr sehen können macht dich das
sicherer?“
er zuckt die Schultern folgt dir die Treppe hinauf
und dann
wie in großem Kampf in den
ausgewaschenen Himmel.
bis er endlich
gleich einer verschreckten Krähe neben dir hockt
hast du auf dem Schornstein euer Picknick arrangiert
dann speist ihr einträchtig-stumm
und mit großer Zufriedenheit merkst du wie er
unter der Sonne
vor den frohen bunten Hügeln nachlässt
die Ellenbogen aufstützt sich mit
geschlossenen Augen zurück lehnt
du ziehst mit den Lippen
einen Rest Marmelade von deinen Fingern lässt
die Augen nach ihm tasten
die ganze zerstörte Erscheinung entlang
erstickst kurz vor Schreck als er
ohne die Lider zu heben fragt „was ist“
„nichts“ kommt es
wieder schneller als dein Verstand „warum“
will er wissen „starrst du mich dauernd an“
„nicht dich nur“ lügst du erneut nicht
in deiner Not „deine Klamotten ich meine“
„geklaut“
„natürlich“ und du lässt ab von ihm.
das Flirren von einem Paar
Spatzenflügeln nicht weit von dir du weißt nicht
ist es das oder
etwas Anderes
das deinen Bauch zum Beben bringt
„was“ faucht er wieder
bevor er etwas gehört haben kann
du winkst ab verscheuchst den Vogel nichts scheint jetzt
bedrohlicher als ein Kichern
„was ist so komisch“
richtet er sich fordernd auf
du holst einmal Luft die Ehrlichkeit
hat dir geholfen bisher „naja
nicht komisch aber
egal was du angestellt hast mit den Klamotten wird’s nicht besser”
und das letzte Wort du könntest dich ohrfeigen
endet tatsächlich in einem Glucksen.
„das ist nicht komisch“ sagt er ruhig
du schüttelst heftig den Kopf
weißt nicht mehr wohin noch was „nein
ich meine ja“ da
stößt er dich vom Dach.
das Verkrallen der Finger ins Gras
das Pochen in deinem Kopf deiner Schulter
erinnert dich
über einen lichten tauben Nebel hinweg an das Lärmen deiner Knochen auf den Ziegeln
schaffst es den Blick zu heben
hinauf zu schauen
dort oben sitzt er nicht mehr
ist vielleicht auch nie da gewesen du
rappelst dich auf
der Knöchel
der linke dürfte verstaucht sein mehr, scheint es, nicht
über das Stechen hinweg ziehst du dich
die Wand entlang
zur Veranda willst schauen ob er nicht
und da stürzt er aus dem Haus beinahe in dich hinein
prallt zurück wie vor einer Erscheinung du sagst
„ein Glück nicht wahr
dass das Hausdach auf der einen Seite so weit hinunter reicht“
lange bleibt er still
die Fäuste unter gehetztem Atem geballt und
stößt am Ende hervor „ja
ein Glück“
„aber liegen gelassen“ vermutest du
„hättest du mich trotzdem“
„ja
wahrscheinlich“
du nickst
und weißt weniger als je was genau es dir
bedeutet hätte ihn zu verabschieden wie die Hausherrin
einen gelegentlichen Gast
jetzt bewegt ungeahntes Leben sein Gesicht
trotzig ruft er gegen deine Ratlosigkeit an „nach dem Regen bis nach dem
Regen so war es abgemacht “
„ja“ nickst du deinerseits
„ja und der Regen ist
lange schon vorbei“
dann trittst du zur Seite er
stolpert hinaus in das Zirpen der faltenwerfenden
pflanzenspuckenden Erde
und du stehst da
auf deiner Terrasse
und weinst.
der Herbst beginnt hier oben früher man merkt es an der schärferen Luft ihrer
Porzellanhaftigkeit
rechts und links des Weges auch zunehmend am
Schimmern der Bäume die ganze Zeit schon seit das Dorf
hinter der ersten scharfen Biegung verschwunden ist
das Holz der Hüttentür schabt an deiner Wange du richtest dich auf um nicht
wieder nach außen zu kippen
dem letzten Glühen nach
dem deine Augen hinter die Hügelkette gegenüber folgen wollen
nun ist es duster für die erste Exilnacht erwartet dich
in dem einen quadratischen Raum eine Flasche Wein nichts weiter
langsam
wie festgeklebt drehst du dich um
die Begegnung mit dem verinselnden Lampenlicht scheuend
wirfst
dich selbst überrumpelnd die Tür hinter dir zu
schnappst im Vorbeigehen die Weinflasche erklimmst die
Treppe über der als Balkon
dein neuer Schlafplatz in das Häuschen ragt
dann schaust du dich um zwischen deinen Zeitungen und Büchern
weißt gleich die sind nicht
womit du durch die verbleibenden Wachstunden kommen wirst was jetzt?
wirfst du unwillig
mit Blicken um
und über dich bis du bemerkst
was dir bisher entgangen ist eine Luke
direkt aufs Dach hinaus
noch vor dem ersten Gedanken
bist du mit halbem Körper draußen stellst
die Flasche auf dem Schornstein ab und folgst ihr.
unter dem bisschen Mond
in der frostigen Schwärze ist gleich ein freieres Atmen im Vergleich
zu den Wellen die hier der Horizont schlägt
kann der Rost eines Städtehimmels
oder worüber er sich spannen mag nicht mehr als verlieren
weich und rund legt sich alles um dich
die Stille die eben noch bedrohliche ist wieder dein Freund
die Schindeln unter deinen Fingern das gelegentliche Flüstern in entfernten Bäumen
alles was du zum Leben
wenn dieser eine Moment Leben sein soll, brauchst
und
selbst unter dem Murmeln das dir bald den Nacken hinauf rollt
kräuselt sich dir erst wohlig die Haut
bevor es sich deutlicher wiederholt
weit entfernt und doch mitten in deinem Kopf
noch eine trotziger Moment des Ignorierens dann seufzst du und gestehst
als es richtungslos zu krachen beginnt du musst hinein
schwingst dich zurück ziehst die Luke zu
auf die es bald drauf wie Steinschlag zu prasseln beginnt
und fühlst dich ertauben beim Anblick der
Staubigkeit zu der die 40W
aus nicht mal ganz zwei Lampen die Szene tauchen
eilst hinunter wechselst eine Weile
von Fenster zu Fenster dann
stößt dein Fuß gegen etwas es ist ein blechernes
und gläsernes Monstrum
noch der Vorfahr einer StallLaterne
auch Öl darin und ein funktionierender Docht
den hast du bald in Brand gesteckt
unterm Sofa zusätzliche Decken gefunden jetzt bist du heiter
heiterer noch als vorhin wirst auf der Veranda
weich in den alten Schaukelstuhl gebettet deine eigene
flackernde und röhrende Privatvorstellung haben.
schon reckst du
wild den Sessel zum Wippen bringend die Fäuste in die Luft
schmetterst dem Sturm die Höllenrache entgegen
greifst hinunter nach der Flasche
als das
Was
ein Blitz kurz hat aus der Schwärze hervor treten machen dich inne halten lässt
deine Bauchdecke so weit zurück schnellt dass du glaubst sie müsse dir
an der Wirbelsäule kleben bleiben was
was bist du eben im Begriff gewesen zu tun?
schon ist nichts mehr
als bulimische Schatten ringsum du fasst dich
beendest die Bewegung nimmst einen tiefen Schluck denkst vielleicht
möglicherweise gehe ich doch lieber hinein
bin schließlich müde da
gerät kurz alles wieder in Brand du kannst nicht mehr
abstreiten näher als
vorhin steht
da ein Mensch ein
Mensch hier
mitten im Nichts
du reißt der Impuls ist stärker als der Schreck die Laterne hoch und
Er ist schmächtig geradezu
eingefallen
wenn auch kaum älter als du
das
gibt dir oh Wunder die Stimme zurück
„ja bitte?“ als hätte sich jemand verwählt.
da endlich bewegt er sich sichtbar
scheint weiter zu schrumpfen indem
er die erste Stufe zur Veranda nimmt
dort verharrt zu schüchtern wie´s scheint
bis ganz heran zu kommen
der Boden formt sich dir neu unter den Füßen „hallo was
machst du hier“ fragst du
und er ohne aufzuschauen erwidert „verlaufen“
der Donner zerschlägt seine nächsten Worte dann wiederholt er sie wie
unter großer Mühe „darf ich
mich hier unterstellen bis nach dem Regen“
„ja sicher“ sagst
du schneller als du denken kannst noch immer
überfordert von seiner Harmlosigkeit
dem gebrechlichen Zug um seinen Mund der durchweichten Kleidung
die schon vor dem Unwetter erbärmlich gewirkt haben muss
er schafft es bis auf drei Armlängen an dich heran durch
Entlangdrücken am Geländer „da sind Decken“
fährst du fort „und“
was sollst du nur reden jetzt „ich wollte mir
Tee machen eben trinkst du einen mit?“
stumm nickt er
immer die Lider gesenkt über den dunklen
leblos kaum blickenden Augen
du reißt dich zusammen nicht hinein zu stürzen in die
windschiefe Sicherheit
das Rauschen des Wasserkochers klaubt dich auf
bevor du wieder hinaus musst mit dampfenden Tassen er
hat tatsächlich die Decken genommen
sich zusammen gerollt auf dem Holzboden „um Himmels Willen“
entfährt es dir
„da ist doch der Schaukelstuhl mach es dir darin bequem“ und dann
ungeduldig angesichts deiner eigenen Verunsicherung „was für ein Quatsch kannst
auch drinnen auf dem Sofa schlafen
so bald hört der Sturm nicht auf.“
er setzt sich halb
schaut dich erstmals an sagt „mich
willst du da drinnen schlafen lassen mich
kennst mich doch gar nicht
oder“
das Letzte mit einer
kalten Fremdheit
bei der dich schaudert aber du kannst keinen Rückzieher machen angesichts
deiner ersten Mutprobe in der Einöde „so“
„wie die Tür aussieht ist es fast egal
ob ich einen Unbekannten auf der Veranda oder im Wohnzimmer habe“
er schaut dort hinein
sieht warmes freundliches Licht
sammelt seine Knochen ein folgt dir
die Decken wie ein Kleinkind hinter sich her ziehend
du weist ihm das Sofa stellst den Tee
auf den Tisch daneben und fliehst
vor dem nächsten Verstummen
die Empore hinauf.
als du den Pullover ausziehst hörst du ihn fast schon schnarchen
brauchst nicht nachzudenken über das Rascheln deiner Kleider
vergräbst dich
in das klamme Bett.
das Erste ist dunstige Helligkeit
in die du aufsteigst aus bunten Schlieren das Zweite
Kaffeeduft
metallisches Klappern das Dritte und dann
als Oben und Unten klar sind du dich umdrehst
dem Raum entgegen wie du weißt
der für paar Wochen Zuflucht werden soll vor deinem argen
kaum nennenswerten Leben
erblickst du dort unten den Rücken von einem
der mit Pfanne und Kessel hantiert
hast also wirklich unter einem Dach geschlafen mit jemand
dessen Namen du nicht einmal kennst.
rasch bevor er sich umdrehen kann
angelst du aus dem Rucksack was du
zum Überstreifen brauchst fast ohne dich erheben zu müssen
er nickt auf deinen Gruß du beginnst
„das war doch nicht“
„doch war´s“ und das kommt von ihm
mit bitter gedemütigtem Stolz „wenn ich mich
schon nicht revanchieren kann für deine Gastfreundschaft“
du schweigst
reichst ihm was er braucht
das Frühstück zu richten und versinkst
je länger du neben ihm stehst in seine Züge
„weißt du Bescheid?“ schnellt plötzlich
sein Blick zu dir herum
dass du zurück schreckst „nein was denn“ als ertapptest du dich
selbst bei einer Lüge da
steht er neben dem Sofa
will sich die Jacke überziehen „klar
weißt du´s hängt an jedem Kiosk mein Gesicht
hast mich erkannt“
„wie soll ich erkennen was“ interessiert ihn nicht er
setzt sich in die Tür
wo säuberlich seine Schuhe stehen beginnt
sie überzustreifen
du gehst bis auf paar Schritte an in heran „soll ich
das ganze Frühstück allein aufessen jetzt?“
„soll ich“ grollt er
„warten bis du sie gerufen hast“
„wen sollte ich rufen während
wir zusammen essen“
seine Molltonaugen
saugen sich kurz fest an deinen „warum“ argwöhnt er
„willst du mich hindern zu gehen“
„weiß nicht aber so
mit diesem abgebrochenen Morgen deinen Andeutungen
ohne AufWiedersehen
zu meinen ich hätte dich verjagt ohne es zu wollen so
will ich meinen Urlaub nicht beginnen“
die Antwort
ist so duselig
so himmelschreiend banal dass auch er
in seiner Panik erkennt sie muss ehrlich sein
er steht auf
gelangt mit dir auf Augenhöhe
murmelt „ich hab nichts Schlimmes getan“
und lässt die Kiefer mahlen.
„um so besser“ wendest du dich ab
dich des Tabletts zu bemächtigen “Ich brauche nichts
zu wissen von dir
hast dich hier untergestellt und zum Dank Frühstück gemacht
das reicht
nicht wahr mehr hat keiner von uns erwartet”
seine Augen werden
noch einmal größer
als er murmelt “so jemand wie dich
ist mir wirklich noch nicht begegnet”
“sowas wie der Platz auf dem Dach” sprudelst du
“bestimmt auch nicht es ist ganz einfach:
wir frühstücken da oben wenn du gehst
bleibe ich so lange sitzen bis wir uns nicht mehr sehen können macht dich das
sicherer?“
er zuckt die Schultern folgt dir die Treppe hinauf
und dann
wie in großem Kampf in den
ausgewaschenen Himmel.
bis er endlich
gleich einer verschreckten Krähe neben dir hockt
hast du auf dem Schornstein euer Picknick arrangiert
dann speist ihr einträchtig-stumm
und mit großer Zufriedenheit merkst du wie er
unter der Sonne
vor den frohen bunten Hügeln nachlässt
die Ellenbogen aufstützt sich mit
geschlossenen Augen zurück lehnt
du ziehst mit den Lippen
einen Rest Marmelade von deinen Fingern lässt
die Augen nach ihm tasten
die ganze zerstörte Erscheinung entlang
erstickst kurz vor Schreck als er
ohne die Lider zu heben fragt „was ist“
„nichts“ kommt es
wieder schneller als dein Verstand „warum“
will er wissen „starrst du mich dauernd an“
„nicht dich nur“ lügst du erneut nicht
in deiner Not „deine Klamotten ich meine“
„geklaut“
„natürlich“ und du lässt ab von ihm.
das Flirren von einem Paar
Spatzenflügeln nicht weit von dir du weißt nicht
ist es das oder
etwas Anderes
das deinen Bauch zum Beben bringt
„was“ faucht er wieder
bevor er etwas gehört haben kann
du winkst ab verscheuchst den Vogel nichts scheint jetzt
bedrohlicher als ein Kichern
„was ist so komisch“
richtet er sich fordernd auf
du holst einmal Luft die Ehrlichkeit
hat dir geholfen bisher „naja
nicht komisch aber
egal was du angestellt hast mit den Klamotten wird’s nicht besser”
und das letzte Wort du könntest dich ohrfeigen
endet tatsächlich in einem Glucksen.
„das ist nicht komisch“ sagt er ruhig
du schüttelst heftig den Kopf
weißt nicht mehr wohin noch was „nein
ich meine ja“ da
stößt er dich vom Dach.
das Verkrallen der Finger ins Gras
das Pochen in deinem Kopf deiner Schulter
erinnert dich
über einen lichten tauben Nebel hinweg an das Lärmen deiner Knochen auf den Ziegeln
schaffst es den Blick zu heben
hinauf zu schauen
dort oben sitzt er nicht mehr
ist vielleicht auch nie da gewesen du
rappelst dich auf
der Knöchel
der linke dürfte verstaucht sein mehr, scheint es, nicht
über das Stechen hinweg ziehst du dich
die Wand entlang
zur Veranda willst schauen ob er nicht
und da stürzt er aus dem Haus beinahe in dich hinein
prallt zurück wie vor einer Erscheinung du sagst
„ein Glück nicht wahr
dass das Hausdach auf der einen Seite so weit hinunter reicht“
lange bleibt er still
die Fäuste unter gehetztem Atem geballt und
stößt am Ende hervor „ja
ein Glück“
„aber liegen gelassen“ vermutest du
„hättest du mich trotzdem“
„ja
wahrscheinlich“
du nickst
und weißt weniger als je was genau es dir
bedeutet hätte ihn zu verabschieden wie die Hausherrin
einen gelegentlichen Gast
jetzt bewegt ungeahntes Leben sein Gesicht
trotzig ruft er gegen deine Ratlosigkeit an „nach dem Regen bis nach dem
Regen so war es abgemacht “
„ja“ nickst du deinerseits
„ja und der Regen ist
lange schon vorbei“
dann trittst du zur Seite er
stolpert hinaus in das Zirpen der faltenwerfenden
pflanzenspuckenden Erde
und du stehst da
auf deiner Terrasse
und weinst.
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